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Menschenrecht

23 Juni, 2025

Pressemitteilung: Völkerrechtswidrige Angriffe auf den Iran

Die Deutsche Friedensgesellschaft – Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) verurteilt die völkerrechtswidrigen Angriffe der USA und
Israels auf den Iran. Der Verband sorgt sich nicht nur um die Opfer, sondern auch um eine dauerhafte Erosion des internationalen Rechts.

In der Nacht zum Sonntag haben US-Bomber Ziele im Iran angegriffen. Damit haben sich die Vereinigten Staaten den seit einigen Tagen laufenden völkerrechtswidrigen Angriffen Israels angeschlossen. Der Iran hat wiederum mit Raketen- und Drohnen-Angriffen auf Israel reagiert. Als pazifistischer Verband verurteilt die DFG-VK jede Gewalt und steht an der Seite der Opfer – sieht aber noch einen weitergehenden Schaden: „Präsident Trumps Entscheidung ist nicht nur ein klarer Verstoß gegen internationales Recht, sondern droht die Region weiter ins Chaos zu stürzen und die militärische Gewalt in der Region auszuweiten“, sagt Marius Pletsch, Bundessprecher der DFG-VK. Der Verband warnt vor unabsehbaren internationalen Folgen des US-Angriffs: „Das Nichtverbreitungsregime droht geschwächt zu werden, Iran könnte durch den Schritt erst recht ermutigt werden sich aus dem Atomwaffensperrvertrag zurückzuziehen und eine Nuklearwaffe anzustreben“, so Pletsch. Das iranische Regime könne neun neben weiter eskalierenden Gegenschlägen noch schärfer gegen die eigene Bevölkerung vorgehen und so Bemühungen zur Überwindung des Regimes schaden, befürchtet der DFG-VK-Bundessprecher: „Die Menschen in Iran, Israel, den palästinensischen Gebieten und in der Region werden die Folgen dieser rücksichtslosen, gefährlichen, und illegalen Entscheidung mit schwerwiegenden Folgen und Risiken für ihr Leben tragen. Es werden massive Repressionen des iranischen Staates gegen die eigene Bevölkerung und insbesondere gegen progressive Kräfte im Land befürchtet.“
Die DFG-VK erinnert an das 2018 durch den schon damals amtierenden US-Präsidenten Trump aufgekündigten Atomabkommen: „Das Abkommen, an dem auch Deutschland, Frankreich und Großbritannien beteiligt war, untersagte dem Iran bis 2031 Uran über 3,67 Prozent anzureichern – es war in Kraft und der Iran hielt sich laut strengen Kontrollen der Atomenergiebehörde auch daran“, so Pletsch. Die DFG-VK hatte sich damals gemeinsam mit weiteren Friedensorganisationen mit einer Kampagne für den Erhalt des Abkommens und gegen einen bereits damals drohenden Iran-Krieg eingesetzt. Die Bundesregierung und die Europäische Union sollten sich klar für das Völkerrecht einsetzen und die Angriffe nicht unterstützen oder begrüßen, warnt die DFG-VK. „Die Angriffe untergraben die eigenen diplomatischen Bemühungen. Die Statements aus der EU und auch aus den G7-Saaten nach den Angriffen Israels in der vergangenen Woche, den ‚Vergeltungsschläge‘ Irans und den nun erfolgten US-Angriffen geben jedoch keinen Anlass anzunehmen, dass das Völkerrecht handlungsleitenend für die Regierungen und EU-Kommission ist“, erklärt Pletsch.
Als Mitglied der 2017 mit dem Friedensnobelpreis ausgezeichneten „Internationalen Kampagne zur Abschaffung von Atomwaffen“ (ICAN) spricht sich die DFG-VK deutlich gegen jedes Atomprogramm aus – diese müssten aber politisch und nicht militärisch gestoppt werden. Zudem müssten alle Atomwaffenstaaten – auch die USA und Israel sowie Deutschland als atomarer Teilhaberstaat – endlich dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beitreten, fordert der Friedensverband.

Für Interviews oder bei Nachfragen nehmen Sie bitte jederzeit Kontakt zu uns auf:
Michael Schulze von Glaßer (pol. Geschäftsführer der DFG-VK): svg@dfg-vk.de, +4917623575236

8 Mai, 2025

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung: Ein Menschenrecht – aber nicht für alle?

Das Recht auf Kriegsdienstverweigerung hat eine lange und bewegte Geschichte. Bereits im 16. Jahrhundert verweigerten die täuferischen Mennoniten in Mitteleuropa den Kriegsdienst aus religiösen Gründen. Auch die Quäker, die sich ab etwa 1650 in England organisierten, bekannten sich früh zu radikalem Pazifismus. Ihre Haltung gegen jede Form von Gewalt und Krieg brachte sie in direkte Konfrontation mit staatlichen Autoritäten – oft mit der Folge von Bestrafung, Verfolgung, Gefängnis oder Exil. Diese frühen Verweiger*innen standen am Anfang einer Bewegung, die ein grundlegendes Recht einforderte: das Recht, Nein zum Krieg zu sagen – aus Überzeugung, aus Glauben, aus Gewissen.

Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte (Art. 18) und der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte (ebenfalls Art. 18) garantieren diese Grundfreiheiten. Das UN-Menschenrechtskomitee hat bereits 1987 anerkannt, dass daraus auch das Recht auf Kriegsdienstverweigerung folgt. Dennoch ist dieses Recht bis heute nicht explizit in der Charta der Vereinten Nationen kodifiziert – ein Umstand, der weltweit willkürliche Auslegung und massive Menschenrechtsverletzungen ermöglicht.

Denn was ist ein Menschenrecht wert, das man in vielen Staaten vor Gericht erkämpfen muss? Wer aus Gewissensgründen den Dienst an der Waffe verweigert, riskiert in vielen Ländern Verfolgung, Haft oder Ausbürgerung. Auch in Deutschland, wo das Grundgesetz in Artikel 4 Absatz 3 das Recht auf Kriegsdienstverweigerung schützt, wird die Vollverweigerung – also die Ablehnung jeglicher Pflichtdienste, auch ziviler Ersatzdienste – nicht anerkannt. Ein echtes Menschenrecht lässt sich aber nicht in „zumutbare Formen“ pressen.

Wir fordern daher uneingeschränkt: Das Recht, keinen Dienst – weder mit noch ohne Waffe – zu leisten, muss vollständig gewährt werden.

Dieses Menschenrecht endet auch nicht an nationalen Grenzen. Menschen, die in ihren Herkunftsländern nicht verweigern dürfen, brauchen Schutz. In Deutschland jedoch werden nach wie vor Asylanträge von Kriegsdienstverweigerern aus Ländern wie Russland und der Ukraine abgelehnt – oft mit zynischen Begründungen.

Ein Beispiel: Ein ukrainischer Verweigerer, dessen Asylantrag laut Connection e.V. abgewiesen wurde, hatte sich geweigert, an einem Krieg teilzunehmen, den er nicht mittragen konnte. Die Möglichkeit eines zivilen Ersatzdienstes existiert in der Ukraine faktisch nicht, doch das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ignorierte diese Realität. Auch russischen Verweigerern wird regelmäßig unterstellt, sie könnten intern „versetzt“ werden – eine gefährliche Illusion angesichts eines autoritären Systems mit brutaler Militärpraxis.


Deshalb sagen wir zum Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerung unmissverständlich: Wer sich weigert zu töten, muss Asyl bekommen.

Ein Blick nach Israel zeigt, wie tief verankert der Widerstand gegen dieses Menschenrecht auch in demokratischen Staaten sein kann. In Israel besteht eine allgemeine Wehrpflicht für Männer und Frauen. Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen ist theoretisch möglich – in der Praxis aber hochgradig restriktiv.


Die Entscheidung trifft ein militärisches Gremium, dessen Ablehnungsquote hoch ist. Wer verweigert, wird häufig öffentlich diffamiert, unter Druck gesetzt oder mehrfach inhaftiert. Besonders junge Frauen, die sich dem Militärdienst verweigern – wie in jüngster Zeit Mitglieder der „Mesarvot“-Bewegung –, berichten laut Connection e.V. von Repression, öffentlicher Ausgrenzung und militärischer Haft. Der zivile Ersatzdienst steht nur religiös begründeten Verweigerungen offen, nicht aber politischen oder pazifistischen. Das ist eine klare Verletzung internationaler Standards.

Ein Menschenrecht, das der Staat erst „genehmigen“ muss, ist kein Menschenrecht.

Wer sich heute weltweit für die Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung einsetzt, kämpft nicht für Privilegien, sondern für Gewissensfreiheit – gegen Gewalt, gegen Militarismus, gegen Zwang. Und wer dieses Menschenrecht ernst nimmt, muss auch seine praktische Umsetzung fordern: bedingungslos, international, solidarisch.

5 Mai, 2025

Mannheim: Internationaler Tag der Kriegsdienstverweigerung

Mai 15 @ 15:00 – 17:00

DFG-VK Mannheim-Ludwigshafen

Veranstalter-Website anzeigen

HBF Mannheim

Hauptbahnhof / Bahnhofsvorplatz
Mannheim, Germany
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Connection e.V.
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13 März, 2025

Bundesgerichtshof greift Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung an

eine Analyse von Connection e.V. vom 12.03.2025:

Die Entscheidung liegt nun schon einige Wochen zurück. Am 16. Januar 2025 fasste der Bundesgerichtshof (BGH) auf Antrag des Oberlandesgerichtes (OLG) Dresden einen Beschluss (Beschluss 4 ARs 11/24) zur Frage ob ein ukrainischer Staatsbürger ausgeliefert werden dürfe, obwohl er erklärt habe, Kriegsdienstverweigerer zu sein und die Ukraine für den Kriegsfall das Recht auf Kriegsdienstverweigerung ausgesetzt hat. Dem Verweigerer droht in der Ukraine also die Einberufung in den Krieg und bei einer Verweigerung eine jahrelange Haftstrafe.

Die Entscheidung hat es in sich, gerade auch bezüglich der Auslegung des Grundrechtes auf Kriegsdienstverweigerung nach dem Grundgesetz.

Zum aktuellen Fall

Zunächst aber ein Hinweis auf den Fall, zu dem der BGH den Beschluss gefasst hat. Eine Verfassungsbeschwerde wäre in dem Verfahren sinnvoll und notwendig. Der Betroffene hat dem aber bislang nicht zugestimmt.

Noch ein weiterer Hinweis: Die Auslieferung war von der Ukraine wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt beantragt worden, nicht wegen Kriegsdienstverweigerung oder einer anderen Militärstraftat. Damit war überhaupt der Weg für ein Auslieferungsverfahren offen. Bei ausschließlich militärischen Straftaten, so sieht es das Europäische Auslieferungsabkommen in Artikel 4 und das Gesetz über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) in § 7 vor, darf nicht ausgeliefert werden.

Grundsatz der BGH-Entscheidung

Der BGH kommt im Grundsatz des Beschlusses zu der Feststellung, dass auch bei fehlendem Recht auf Kriegsdienstverweigerung in die Ukraine ausgeliefert werden darf, da sich die Ukraine in einem Verteidigungskrieg befinde. Das Recht des Staates, sich gegen einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg militärisch zu wehren, wird also als höher erachtet, als die Entscheidung eines Individuums, sich dem Kriegsdienst zu verweigern. Diese Feststellung widerspricht einer Entscheidung des BGH von 1977 (BGH, Beschluss vom 24. Mai 1977 – 4 ARs/6/77) und ist allein schon deshalb ein Politikum.

In dem aktuellen Beschluss vom 16. Januar 2025 lautet der Leitsatz: „Verweigert der Verfolgte im Auslieferungsverfahren nach dem Europäischen Auslieferungsübereinkommen vom 13. Dezember 1957 aus Gewissensgründen den Kriegsdienst mit der Waffe und ist nicht gewährleistet, dass er nach seiner Auslieferung nicht zum Kriegsdienst im ersuchenden Staat herangezogen wird und im Fall seiner Verweigerung keine Bestrafung zu erwarten hat, begründet dies jedenfalls dann kein Auslieferungshindernis, wenn sein um Auslieferung ersuchendes Heimatland völkerrechtswidrig mit Waffengewalt angegriffen wird und ein Recht zur Kriegsdienstverweigerung deshalb nicht gewährleistet“ (BGH, Beschluss vom 16. Januar 2025 – 4 ARs 11/24).

Es gibt bereits verschiedene Stellungnahmen zum Beschluss des BGH, die zum Teil sehr ausführlich auf die rechtlichen Hintergründe eingehen. Wir wollen an dieser Stelle die wesentlichsten Punkte benennen, die gegen die Auslegung des BGH sprechen und die politische Bedeutung des Beschlusses bezüglich des Rechts auf Kriegsdienstverweigerung einschätzen.

Bundesgerichtshof zum Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach dem Grundgesetz

Der BGH geht aber noch über seinen Leitsatz hinaus. Er kommt – ohne dass dies eigentlich Thema des Auslieferungsantrages sein müsste – zu dem Schluss, dass in letzter Konsequenz das Recht auf Kriegsdienstverweigerung im Kriegsfall keinen Bestand haben könnte. Beim BGH klingt das so: Es „erscheint auch nach deutschem Verfassungsrecht nicht von vornherein undenkbar, dass Wehrpflichtige in außerordentlicher Lage zusätzlichen Einschränkungen unterliegen und in letzter Konsequenz sogar gehindert sein könnten, den Kriegsdienst an der Waffe aus Gewissensgründen zu verweigern.“

Das muss in der Tat als ein Angriff auf das Grundrecht auf das Recht auf Kriegsdienstverweigerung nach Art. 4 Abs. 3 GG gelesen werden. Gerade weil der BGH diese Aussage nicht als Feststellung trifft, sondern sozusagen als mögliche Folgerung darstellt – und das sogar wiederholt –, spiegelt sich hier der Versuch wider, die Allgemeingültigkeit des Grundrechtes in Frage zu stellen. Im Kern geht es darum, ob ein Recht auf Kriegsdienstverweigerung genau dann gilt, wenn es darauf ankommt: im Krieg. Oder ob, wie der BGH formuliert, das Recht in so einem Fall ausgesetzt oder eingeschränkt werden darf. Hier ist klar zu sagen: Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung ist allgemeingültig!

Prof. Dr. Kathrin Groh ist in einem Beitrag auf verfassungsblog.de ausführlich auf diese Fragestellung eingegangen und kommt zu dem Schluss: „Das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung aus Art. 4 Abs. 3 GG ist auf den Kriegsfall zugeschnitten. Sein unantastbarer Kernbereich verlangt gerade für den Verteidigungsfall uneingeschränkte Geltung. Der Kernbereich von Art. 4 Abs. 3 GG ist abwägungsfest.“

Zunächst stellt sie fest, dass der Parlamentarische Rat in Abwägung verschiedener Formulierungen sich dann doch dazu entschieden hatte, „jede Gewissensentscheidung als ein Grundrecht anzuerkennen, aus der sich für den einzelnen ein Tötungsverbot im Krieg ergibt, gegen das er nicht ohne ernste Gewissensnot handeln kann.“ Das bedeutet, und hier verweist sie auf das Bundesverfassungsgericht, dass das Recht „im Kriegsfall eben nicht einfach so außer Kraft gesetzt werden darf“.

Sie verweist auch darauf, dass das Bundesverfassungsgericht sich in seiner ersten Entscheidung zum Artikel 4 Abs. 3 GG mit der Frage befasste, ob der Militärdienst verweigert werden könne. Es ging also um die Frage, ob das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung nicht nur bedeutet, sich dem Kriegsdienst im Falle eines Krieges zu verweigern, sondern bereits vorher. Und das hat das Bundesverfassungsgericht klar bejaht, auf dem Grundsatz, dass der Kern des Grundrechts die Kriegsdienstverweigerung im Kriegsfall ist. Höhere Bedeutung habe also das Recht auf Kriegsdienstverweigerung im Krieg, erst daraus folge auch das Recht, den Militärdienst zu verweigern.

Wie aber kommt der BGH nun zu dem Schluss, das sei alles anders. Er verweist dabei insbesondere auf die 1968 erfolgte Ergänzung des Art. 12a GG, der für Notstand oder Kriegsfall weitreichende Möglichkeiten der Dienstverpflichtung vorsieht. Aber der Verweis ist falsch, wie Kathrin Groh darlegt. In Art. 12a Abs. 2, Satz 3 steht es ganz eindeutig: „Das Nähere regelt ein Gesetz, das die Freiheit der Gewissensentscheidung nicht beeinträchtigen darf und auch eine Möglichkeit des Ersatzdienstes vorsehen muß, die in keinem Zusammenhang mit den Verbänden der Streitkräfte und des Bundesgrenzschutzes steht.“ Kurz: Dienstverpflichtungen sind möglich, aber anerkannte Kriegsdienstverweiger*innen können und dürfen nicht zur Bundeswehr einberufen werden.

Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung – Der Fall Ukraine

Der BGH befasste sich auch mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte. Der hatte 2011 im Verfahren Bayatyan gegen Armenien festgestellt, dass das Recht auf Kriegsdienstverweigerung als Teil des Artikels 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention zu verstehen ist, der die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit schützt. Diese Norm, so der BGH, bleibe jedoch hinter dem Schutzniveau von Art. 4 Abs. 3 GG zurück. Insbesondere im Notstandsfall, also auch im Kriegsfall, unterliege sie weitergehenden Einschränkungen.

Nun hatte sich der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in der Tat bei den bisherigen Entscheidungen in aller Regel auf Fälle beschränkt, die in Friedenszeiten das Recht auf Kriegsdienstverweigerung einforderten. Es gibt also nur wenige Aussagen des EGMR, wie in solchen Fällen zu verfahren ist. Ein Hinweis wird gegeben in den Richtlinien zu Artikel 9 der EMRK, die vom EGMR selbst herausgegeben sind. Dort wird auf das Urteil Mammadov und andere gegen Aserbaidschan verwiesen. Der EGMR kommt zu dem Schluss: „Der bloße Hinweis auf die ‚Notwendigkeit zur Verteidigung der territorialen Integrität des Staates‘ ist für sich genommen kein Grund, das Fehlen eines angemessenen alternativen Dienstes zu rechtfertigen.“ Übertragen auf die Situation in der Ukraine müsste das zumindest heißen, dass die Ukraine schwerwiegende Gründe aufzeigen müsste, um dieses Recht auszusetzen. Welche Gründe tatsächlich schwer genug wiegen, bleibt aufgrund fehlender Rechtsprechung des EGMR offen.

Der BGH greift das auf und stellt mit Verweis auf möglicherweise vorliegende schwerwiegende Gründe fest: „Wird das Leben einer Nation durch Krieg oder einen anderen öffentlichen Notstand bedroht, so kann jeder Vertragsstaat gemäß Art. 15 Abs. 1 EMRK Maßnahmen treffen, die von den in der Konvention vorgesehenen Verpflichtungen abweisen, soweit es die Lage unbedingt erfordert und wenn die Maßnahmen nicht im Widerspruch zu den sonstigen völkerrechtlichen Verpflichtungen der Vertragspartei stehen.“ Damit begründet der BGH, das auch der Artikel 9 der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) im Verteidigungsfall ausgesetzt werden könne. Der BGH unterzieht dies aber keiner Prüfung. Hat denn die Ukraine das Recht des Artikels 9 EMRK wirklich formal korrekt ausgesetzt und dies entsprechend begründet?

Dazu gibt es ein Verfahren. Das sieht vor, dass Vertragsstaaten der EMRK dem Generalsekretär des Europarates mitteilen, welche Artikel der EMRK aufgrund einer Notlage ausgesetzt werden. Dazu gibt es eine Aufstellung der Ukraine vom 4. April 2024 (Note verbale No. 31011/32-119-46585). In der Anlage „Revised Notification about the derogation measures…“ wird erläutert, welche Artikel ausgesetzt sind bzw. welche Veränderungen vorgenommen wurden. Es heißt dort von Seiten der Ukraine: „Die Ausnahmeregelung gemäß den zuvor definierten Artikel 3, 8(3), 9, 13, 20, 22, 24, 26, 27 des (Internationalen) Paktes (über bürgerliche und politische Rechte) und Artikel 4(3), 9, 13, 14, 16 der (Europäischen Menschenrechts-)Konvention wird zurückgenommen.“

Konkret bedeutet das, dass die Ukraine die Einschränkungen des Rechtes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit, die mit Einführung des Kriegsrechts auferlegt wurden, im April 2024 zurückgezogen hat. Mithin muss die Ukraine auch das Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung garantieren. Das Recht ist jedoch seit Kriegsbeginn ausgesetzt. Kriegsdienstverweiger*innen werden strafrechtlich verfolgt und zu mehreren Jahren Haft verurteilt. Das heißt auch, dass der BGH hier fahrlässig eine wesentliche Information unterschlagen hat. Die Folgerung, dass die Ausnahmeregelung für die Ukraine zutreffe, und daher ein Kriegsdienstverweigerer ausgeliefert werden könne, ist falsch.

Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung – Internationaler Pakt

Der BGH befasst sich auch mit den Folgerungen, die sich aus Artikel 18 Abs. 1 des Internationalen Paktes über bürgerliche und politische Rechte (im Folgenden Internationaler Pakt) ergeben. Er erkennt zwar an, dass der UN-Menschenrechtsausschuss auf Grundlage der Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit des Artikel 18 jedermann das Recht gibt, nicht zur Anwendung tödlicher Gewalt gezwungen zu werden. Damit sieht der UN-Menschenrechtsausschuss hier sehr wohl ein allgemeines Menschenrecht auf Kriegsdienstverweigerung. Artikel 18 Abs. 1 ist sogar unter den Schutz gestellt, auch in einem Notstandsfall zu gelten. Artikel 4 des Internationalen Paktes stellt das eindeutig fest. Der Artikel 18 darf also im Grundsatz nicht angetastet werden, auch nicht in einem Kriegsfalle.

Dann verweist der BGH allerdings auf Art. 18 Abs. 3 des Internationalen Paktes, wonach „gesetzlich vorgesehene Einschränkungen“ möglich sind, die zum „Schutz der öffentlichen Sicherheit, Ordnung, Gesundheit, Sittlichkeit oder der Grundrechte und -freiheiten anderer erforderlich sind.“ Damit begründet der BGH, dass diese Einschränkung eben doch möglich sei. Er setzt also allgemeine Einschränkungen dem grundsätzlichen Menschenrecht gegenüber und wertet diese als höherwertig an.

Der UN-Menschenrechtsrat hingegen hat hierzu eine klare Stellungnahme abgegeben, die vom BGH nicht gewürdigt wird. In dem Bericht „Conscientious objection to military service“ vom 23. April 2024 kommt der Rat zu dem Schluss: „Nach dem Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte lässt die Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit keine Ausnahme zu, im Gegensatz zur Religions- oder Weltanschauungsfreiheit, die den in Artikel 18 (3) vorgesehenen Einschränkungen unterliegen kann. Darüber hinaus schließt Artikel 4 (2) des Paktes eine Abweichung von den in Artikel 18 genannten Rechten aus. Folglich darf das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als fester Bestandteil des Rechts auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit nicht beeinträchtigt werden, auch nicht in einer Zeit des öffentlichen Notstands, der das Leben der Nation bedroht.“ (Absatz 6)

In den Schlussfolgerungen wird festgestellt: „Staaten sollten das Recht auf Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen in ihren nationalen Rechtssystemen anerkennen. In Übereinstimmung mit dem internationalen Menschenrecht sollte die innerstaatliche Rechtsgrundlage sein:

(a) allgemein und alle Formen von Gedanken, Gewissen und Religion einschließen, die durch internationale Menschenrechtsnormen geschützt sind;

(b) anwendbar auf alle Formen des Militärdienstes, einschließlich des freiwilligen Dienstes und Dienstes in der Reserve, da sich Gedanken, Gewissen und Religion im Laufe der Zeit ändern können;

(c) anwendbar in allen Kontexten, einschließlich Situationen bewaffneter Konflikte und während einer Mobilisierung;

(d) ohne Bedingungen gesetzt durch Ausführungsgesetze;

(e) einklagbar.“

Schlussfolgerungen

Wir müssen also feststellen, dass der BGH auch unter Vorspiegelung falscher Grundlagen einen Beschluss gefasst hat, der das Menschen- und Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung gerade im Kriegsfall in Abrede stellt. Es wird also darauf ankommen, in weiteren Verfahren diese Frage erneut aufzuwerfen und so eine Rücknahme des BGH-Beschlusses zu erreichen.

Das Urteil bedeutet aber noch mehr. Es geht über die rein juristische Auseinandersetzung weit hinaus. Wir kennen dies ja bereits aus der politischen Auseinandersetzung. Der Artikel 4 Absatz 3 GG wurde immer wieder restriktiv ausgelegt und Kriegsdienstverweiger*innen Steine in den Weg gelegt. Nur eine politische Auseinandersetzung konnte hier Verbesserungen erreichen. Angesichts des Krieges in der Ukraine und angesichts der von der Politik geforderten Kriegsertüchtigung steigt nun der BGH mit ein und postuliert das Grundrecht auf Kriegsdienstverweigerung als Schönwetter-Recht, das im Kriegsfall nicht mehr gilt. Das ist haarsträubend, in höchstem Maße gefährlich und bedarf dringend einer Korrektur.

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