in Karlsruhe von unserem Mitglied Sabine Zürn.
In den wenigen Minuten, die ich für meinen Beitrag habe, kann ich nicht ausführlich auf alles eingehen, was wir alltäglich wahrnehmen müssen:
- Dass Kriege unberechenbar und zerstörerisch sind und außer Kontrolle zu geraten drohen;
- Dass Kriege Hauptverursacher von Umweltzerstörung sind und weltweit die Fluchtursache Nummer 1.
- Dass geschlechtsspezifische Gewalt Teil der Kriegsführung ist und vor allem Frauen und Kinder Opfer von Gewalt, Vertreibung und Verelendung sind.
- Dass Entscheidungen für und im Krieg überwiegend von Männern getroffen werden.
Die Wahrheit stirbt im Krieg zuerst. Dass das stimmt, sehen wir nicht nur an der Medienberichterstattung aus direkt kriegführenden Ländern. Wenige Tage nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine gaben schon die ersten deutschen Kommentatoren der Friedensbewegung eine Mitschuld am Krieg, da sie Abrüstung gefordert hätten statt Wehrhaftigkeit. Inzwischen gilt es als Intrige, Dummheit oder Verrat, den Regierungskurs von Aufrüstung und Waffenlieferungen zu kritisieren.
Wohl darum blieben im März 2022 Gespräche und ein gemeinsamer Friedensvorschlag von Russland und der Ukraine weitgehend unbeachtet. Gescheitert ist der Vorschlag nicht etwa an Putin, sondern an Boris Johnson und Joe Biden bei der Nato-Konferenz im April 22.
Wenn ich immer mal wieder einen Bezug zum Ukraine-Krieg herstelle, liegt das nicht daran, dass andere Kriegsgeschehen unwichtiger wären, sondern dass meine Redezeit äußerst knapp ist.
Männer kämpfen und Frauen fliehen. Soldaten werden in den Medien als tapfer und entschlossen präsentiert, mit „gesunder Härte“ und „Kampfgeist“ ausgestattet. Diese so genannten männlichen Tugenden sind Teil der alten und neuen Erzählung, dass Männer die Beschützer des Heims mitsamt der hilfebedürftigen Frauen und Kinder seien. An der Heroisierung der Söhne, Brüder, Väter und Ehemänner arbeiten auch Frauen mit. Sie sind in dieser Erzählung nicht als Heldinnen vorgesehen – auch wenn sie ebenso kämpfen wie Männer. Doch nur gegenüber einem schwachen Geschlecht kommt ein starkes so richtig zur Geltung.
Wer kein Held sein und ganz „unmännlich“ nicht in den Krieg will, bekommt es mit dem Gesetz zu tun: Die russische wie auch die ukrainische Regierung verbietet wehrfähigen Männern, das Land zu verlassen. Sie werden an der Flucht gehindert, unzählige Strafverfahren laufen gegen sie. Hunderttausende sind trotzdem geflohen. Von den russischen Deserteuren schaffen es wenige in den Schengenraum, kaum eine/r erhält in Deutschland Asyl.
Die Militarisierung Deutschlands schreitet währenddessen voran.
Der Generalinspekteur der Bundeswehr verkündete kürzlich: „In fünf Jahren müssen wir kriegstüchtig sein.“ Dabei helfen neu verpflichtete Rekruten, von denen jede/r zehnte unmündig, d.h. jünger als 17 Jahre alt, ist. Auch um Transmenschen in Uniform macht man sich Gedanken: Es wurde rechtlich festgelegt, dass sie sich nicht durch die Annahme eines anderen Geschlechts dem Dienst an der Waffe entziehen dürfen. Wer „im Verteidigungsfall“ also Mann ist, muss es bleiben.
Wir hören jeden Tag, dass und in welchem Umfang Deutschland aufrüstet. Die Kosten tragen die, die sich am wenigsten gegen Kürzungen im sozialen Bereich wehren können: Sie finden gar keine Wohnung mehr; sie können sich in Krankheit und Alter keine Hilfe leisten, weil Medikamente, Pflege und altersgerechtes Wohnen unbezahlbar geworden sind; sie haben trotz Arbeit nicht genug Geld zum Leben, weil Löhne noch mehr gedrückt werden.
Letztes Jahr sprachen wir an dieser Stelle über Gewalt gegen Frauen. „Alltagskrieg“ nennen wir den generellen Unfrieden für Frauen in Herrschaftsverhältnissen. Frauenleben sind auch ohne „offiziellen Krieg“ in Gefahr. Die israelische Initiative „Die Pistole auf dem Küchentisch“ zeigt sehr gut den Zusammenhang zwischen Gewalt gegen Frauen und dem Krieg auf. Sie setzen sich gegen Schusswaffen ein, die in Israel ähnlich beliebt sind wie in den USA. Waffen befinden sich, so die Initiative, fast ausschließlich in Männerhand und stellen, selbst wenn sie nicht abgefeuert werden, eine Bedrohung dar. Mit ihrer Präsenz findet alltägliche Unterdrückung, Vertreibung und Tötung statt. Auf jede ermordete Frau kommen viele andere, die in Angst leben. Das gilt für jedes patriarchale Land. Ungerechte, gespaltene Gesellschaften sind instabil und unfriedlich. Ohne „häuslichen Frieden“ kann es keinen Frieden in der Welt geben.
Wie friedlich sind eigentlich wir Feministinnen? In den 70ern und 80ern gab es in der vielschichtigen und großen Friedens- und in der Frauenbewegung eine Debatte darum, ob Frauen vielleicht von Natur aus „Friedfertiger“ sind. Feministinnen hielten dagegen, dass Friedfertigkeit weder angeboren noch eine hilfreiche Haltung im Kampf gegen Herrschaft ist. Die Geschichte der Frauen ist auch eine von Kämpferinnen.
Trotzdem sehen Frauen offenbar Kriege weniger als Lösung von Konflikten an als Männer das tun. Das liegt an ihren Erfahrungen. Ihnen ist Rolle der Zuständigen für das (Über-)-Leben, für Kinder, für Alte und Kranke zugewiesen. Frauen kennen und fürchten die Zerstörung im Krieg, denn sie wissen, wie lebensnotwendig ein Dach über dem Kopf, sauberes Wasser und eine gesicherte Ernährung sind. Dabei spielen Ländergrenzen keine Rolle. Mehrheitlich Frauen und Kinder werden heute aus Kriegsgebieten vertrieben und erleben genau das: Den umfassenden Verlust an Sicherheit und Daseinsversorgung. Das zeigt uns auch deutlich, dass Kriege niemals im Interesse von Frauen und nicht für Frauenbefreiung geführt werden, weder früher noch heute.
Was aber tun? Gespräche sind aufzunehmen, Verhandlungen zu führen mit dem Ziel, einen Waffenstillstand zu erreichen. Das Sterben, die Zerstörung, die Kriegswirtschaft müssen ein Ende haben.
Bis heute sind nur vier Prozent der Unterzeichnerinnen von Friedensabkommen Frauen und nur 13 Prozent aller Verhandlerinnen. Das muss sich ändern. Feministinnen in den kriegführenden Ländern, also Palästinenserinnen und Israelinnen, Ukrainerinnen und Russinnen, haben, dass Gespräche möglich sind, sie führen sie bereits und könnten Friedensprozesse initiieren.
Ich komme zum Schluss.
Es ist heute fast unmöglich, sich eine Welt ohne Krieg vorzustellen angesichts von den vielen Trumps und Putins, von militaristischem und nationalistischem Denken, von weltumspannender Zerstörung.
Hoffnung machen Bündnisse von Friedens-, Frauen, Klima- und anderen Aktivist*innen. Von den „Omas gegen Rechts“ bis zu antimilitaristischen Gruppen wie „Rheinmetall enteignen“, von Fridays for Future bis zur Deutschen Friedensgesellschaft – Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen: Sie alle setzen der Kriegsorganisation eine Friedensorganisation entgegen, in der es um Menschenrechte geht, um Demokratie, um soziale Gerechtigkeit und um ein Ende der zerstörerischen patriarchalen und kapitalistischen Logik.
Es bleibt uns, liebe Feminist*nnen, nichts anderes übrig, als realistisch zu bleiben, – und weiterhin das Unmögliche zu verlangen!
Vielen Dank
Sabine Zürn, Karlsruhe