Pacemakers-Rennradfahrer*innen demonstrieren 2020 mit Sternfahrt für den Atomwaffenverbotsvertrag
Lese den Bericht von der DFG-VK Mannheim-Ludwigshafen über den ungewöhnlichen Pacemakers-Radmarathon unter Coronabedingungen 2020.
Am Samstagmorgen des 1. August waren nur wenige Menschen vor dem Rathaus unterwegs. Den Aufmerksamen wird nicht entgangen sein, dass etwas anders war als sonst: Die Pyramide zwischen Rathaus und Reiss-Engelhorn-Museum war mit Transparenten geschmückt und Sportler*innen mit Trikots und Rennrädern standen davor. Auf dem Transparent prangte das Motto „Pacemakers -Schrittmacher für eine friedliche und gerechte Welt ohne Atomwaffen“, weitere Losungen waren „Für eine atomwaffenfreie Welt“ oder „Beitritt zum UN-Atomwaffenverbotsvertrag jetzt!“
Sternfahrt statt Rundfahrt
Als Otto Reger von der Deutschen Friedensgesellschaft- Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK) um 9.30 Uhr die Anwesenden zur Pacemakers-Sternfahrt begrüßte, wurde deutlich, dass etwas Außergewöhnliches im Gange war: Leistungssportler*innen setzen sich i für das politisch wichtige Ziel atomare Abrüstung ein. Corona verhinderte, dass der sonst übliche Pacemakers Radmarathon-Rundkurs mit Start und Ziel in Bretten durchgeführt werden konnte. Alternativ fand man dank des kreativen Willens der Stadt Bretten und ihres Bürgermeisters Martin Wolff sowie von DFG-VK-Landes-Geschäftsführer Roland Blach und weiteren Teammitgliedern sowie motivierten Rennradler*inneneine gute Lösung in Form einer Sternfahrt von 20 Startorten nach Bretten.
OB Peter Kurz unterstützt die Pacemakers als Schirmherr seit vielen Jahren. Auch diesmal übermittelte ein Gemeinderatsmitglied – Raymond Foikar (Grüne) – Grüße des OB und der Stadt Mannheim und würdigte das enorme sportliche Engagement der Rennradfahrer*innen . Er erinnerte daran, dass Mannheim durch den OB Mitglied der internationalen Nichtregierungsorganisation Mayors for Peace (Bürgermeister für den Frieden) ist. Sie setzen sich dafür ein, dass die Atombomben vernichtet werden bevor sie noch mehr Menschenleben kosten, sei es durch radioaktive Verstrahlung aufgrund von Atombombentests oder weil Menschen verhungern, weil Regierungen Geld für Rüstung verschwenden. Erstmals hat sich Mannheim und der OB am 8. Juli am „Flaggentag der Mayors“ beteiligt und am Rathaus demonstrativ die Mayors-Fahne gehisst, und dadurch dem Wunsch der Menschen nach atomarer Abrüstung Ausdruck verliehen.
Wie Bürgermeister und Lokalpolitiker*innen wichtige Signale senden können
Foikar kritisierte eine politische Entwicklung, die dazu geführt hat, dass Rüstungskontrollabkommen und Abrüstungsverträge aufkündigt wurden und Nuklearwaffen aufrüstet werden. Gleichzeitig unterstrich er, dass mit dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag von 2017 ein wichtiger Erfolg errungen wurde, auch dank der International Campaign to Abolish Nuclear Weapons (ICAN). Für ihre unermüdliche weltweite Lobbyarbeit für den Atomwaffenverbotsvertrag ohne die der Vertrag kaum zustande gekommen wäre, erhielt ICAN den Friedensnobelpreis 2017. Für den Vertrag haben sich u. a. auch die Kampagne „Büchel ist überall – Atomwaffenfrei.jetzt“, die Ärtzt*innen zur Verhütung des Atomkriegs und die DFG-VK eingesetzt.
Die genannten Organisationen engagieren sich in Gestalt des ICAN-Städteappells dafür, dass Städte und Gemeinden per Beschlüsse die Bundesregierung auffordern, den Atomwaffenverbotsvertrag zu unterzeichnen. Foikar erinnerte daran dass der Mannheimer Gemeinderat den Städteappell am 21. Juli beschlossen hat.
Die Macht der Atomwaffen-Junkies brechen
Auch Roland Schuster vom Friedensplenum Mannheim würdigte das sportliche Engagement der Rennradler*nnen und die erzielten Erfolge, zu denen auch die ICAN-Abgeordnetenerklärung gehört und die unlängst von den MdL Boris Weirauch und Stefan Fulst-Blei unterzeichnet wurde. Er kritisierte, dass die Atomwaffenstaaten und auch die Bundesregierung und weitere Nato-Länder, den Atomwaffenverbotsvertrag verhindern wollten und dessen Umsetzung weiterhin blockieren. Schuster ging auf die aktuellen Ankündigungen der US-Regierung ein, US-Soldat*innen aus Deutschland abzuziehen. Diese charakterisierte Schuster als militärische Rationalisierungsmaßnahmen und den Versuch strategische Vorteile zu erzielen, indem US-Soldat*innen nach Polen und Osteuropa velagert werden. Die von US-Präsident Trump geforderte Erhöhung der deutschen Rüstungsausgaben wies er zurück und forderte stattdessen sie zu reduzieren – auch in den USA.
Rennrad- und Freizeitradler*innen mit unterschiedlicher Kraft aber gleichem Ziel
DFG-VK und Friedensplenum ermöglichten es auch Freizeitradler*innen, sich demonstrativ für das Ende einer wahnwitzige Politik der atomaren Abschreckung einzusetzen. Deshalb begleiteten die Freizeitradler*innen mit fahnengeschmückten Rädern die Rennfahrer*innenin der Innenstadt. Wer wollte, konnte von Mannheim nach Bruchsal mit dem Zug fahren und von dort nach Bretten zur Kundgebung radeln.
Wer diese Anstrengung nicht scheute, wurde in Bretten mit einer mutmachenden Veranstaltung belohnt. Es istnicht alltäglich zu sehen, wie immer mehr Radler*innen eintrafen und gute Reden sowie die relaxende Musik von Sarah Neumann und Stefan Charisius zu hören. Der Brettener Bürgermeister Nöltner erinnerte daran, dass die Stadt bereits 15 Mal Start- und Endpunkt des Pacemakers Radmarathons war. Man sei in Bretten darauf stolz, dass die Pacemakers sich immer wieder für diesen Ort entschieden hätten. Daher war es Bretten wichtig, mit der Pacemakers-Sternfahrt eine Alternative zu finden, die sowohl die Abrüstungsforderung in die Öffentlichkeit bringt, die Corona-Auflagen berücksichtigt als auch den Radler*innen eine gesunde Verpflegung bereitstellt.
„Frieden ist der Weg.“
Dieser Satz steht auf den Pacemakers-Trikot und die Präsidentin des baden-württembergischen Landtags, Muhterem Aras, griff ihn auf. Als Schirmfrau der Pacemakers-Sternfahrt dankte sie den Radler*innen für den Einsatz für Frieden und gegen Atomwaffen und dass sie damit auch eine Botschaft an die Bundesregierung senden würden. In ihrer Grußbotschaft sagte sie: „Sie setzen aber auch ein Zeichen für unsere freiheitliche Demokratie und für die Bedeutung politischen Engagements für ein friedliches Zusammenleben.“
Daten und Fakten, die man kennen sollte
Roland Blach, begrüßte die über 60 Radler*innen betont herzlich und dankte den zahlreichen Händen. Zugleich rief er wichtige Daten und Zahlen ins Gedächtnis, die im Folgenden zitiert werden.
„Am 6. und 9. August 1945 wurden die Atombomben auf Hiroshima und Nagasaki abgeworfen. 65.000 Menschen verdampften und verbrannten auf der Stelle, bis zum Ende des Jahres starben mehr als 200.000. Das nukleare Zeitalter wurde eingeläutet. Es begann die radioaktive Verseuchung der Erde. Bis heute gab es insgesamt 2.161 nukleare Explosionen auf der Erde, über-/unterirdisch, atmosphärisch oder unter Wasser. Davon haben die USA mit 1.148 Atomwaffentests und UdSSR/Russland mit 715 Tests ca. 86 % aller Atomwaffentests durchgeführt. Den bislang letzten Nukleartest führte Nordkorea im Jahr 2017 durch. Nach einer Meldung der Washington Post planen die USA derzeit neue Atomwaffentests.
Aktuell schätzt das Stockholmer Friedensforschungsinstitut SIPRI, dass die Atomwaffenstaaten noch immer rund 13.400 Kernwaffen besitzen. Die Atommächte planen, Milliardensummen in die Aufrüstung ihrer Atomwaffenarsenale zu investieren – alleine 2019 gaben sie 73 Milliarden US-Dollar für Atomwaffen aus. Auch in Deutschland sollen neue Trägerflugzeuge für die Atombomben in Büchel angeschafft werden. Damit würde die nukleare Teilhabe der BRD für die kommenden Jahrzehnte festgeschrieben.
Am 8. Juli 1996 erklärte der Internationale Gerichtshof den Einsatz und die Androhung eines Einsatzes von Atomwaffen für völkerrechtswidrig. Seit 2012 erinnert in Deutschland der Flaggentag der Bürgermeister für den Frieden daran. Mittlerweile 360 der 685 Stadtoberhäupter im Bundesgebiet nahmen daran teil.
Am 7. Juli 2017 wurde bei den Vereinten Nationen der Vertrag zum Verbot von Atomwaffen beschlossen. Der Kampagne ICAN, die das Abkommen zusammen mit 122 Staaten entwickelt hat, wurde noch im selben Jahr der Friedensnobelpreis verliehen.“
Vielfältige Möglichkeiten sich für die Verschrottung von Atombomben einzusetzen
Zusätzlich zum (Renn-)Radfahren gibt es vielen Möglichkeiten, durch die sich Einzelne und Gruppen für atomare Abrüstung einbringen können. Ein Beispiel ist eine Zeitungsanzeige, die in der FAZ und der taz abgedruckt wurde und in der Einzelpersonen und Organisationen die Bundesregierung auffordern, dem UN-Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten sowie keine neuen Kampfflugzeuge für den Atomwaffeneinsatz zu beschaffen. Welche Personen und Organisationen unterzeichnet und mitfinanziert haben, kann man hier hier nachsehen. Dort finden spendenwillige die Kontoverbindung, um die Anzeigekosten zu decken.
Wie jedes Jahr veranstalten Friedensplenum und DFG-VK am Hiroshima-Tag (6. August) eine Mahnwache. Dank des Einsatzes der Friedenskooperative wird vom 7. bis 17. August auf großen Werbetafeln an Hiroshima und Nagasaki erinnert und an die Bundesregierung appeliert, dem Atomwaffenverbotsvertrag beizutreten. In Mannheim stehen derartige Hinguckern u. a. in der Reichskanzler-Müller-Straße (Abzweigung Schetzinger Straße) und in der Fardelystraße (Neckarstdt-West) und in Ludwigshafen an der Gabelung Lorientallee und Pasadenaallee. Sie laden dazu ein, dort ein Selfie zu machen und es auf Facebook oder der Aktionsseite der Friedenskooperative https://www.hiroshima-nagasaki.info hochzuladen.
Medienecho
Pacemakers Warnung vor nuklearer Kriegführung – Auf dem Rad für Frieden, Mannheimer Morgen 30.07.2020
„Pacemakers“ radeln zum Protest gegen Atomwaffen, SWR aktuell 01.08.2020
Impressionen
Pacemakers haben in kurzen Videoclips ihre Fahrt dokumentiert.
Pacemakers Sternfahrt nach Bretten am 01.08.2020
Pacemaker‘s Sternfahrt