Am 15. Mai fand anlässlich des Internationalen Tages der Kriegsdienstverweigerung eine Kundgeburg am Stuttgarter Kalrsplatz statt. Johanna Tiarks hielt folgende Rede:
Liebe Zuhörer:innen
Leider ist der heutige Tag, der 15. Mai, der Internationale Tag der Kriegsdienstverweigerung, immernoch hoch aktuell.
Es gibt in vielen Ländern auch heute noch nicht – auch in europäischen – kein Recht auf Kriegsdienstverweigerung. Oft ist eine Verweigerung mit immensen Schikanen und Diskriminierung verbunden.
Klar ist, Kriege können nur mit Soldaten:innen geführt werden. Deswegen ist verweigern und desertieren kein Verbrechen, sondern ein aktiver Beitrag zum Frieden.
„Stell dir vor, es ist Krieg, und keiner geht hin“ schrieb der US-amerikanische Autor Carl Sandburg. Eine tolle Vorstellung für den Frieden!
Deserteur:innen, gerade aus Russland, Belarus und der Urkaine, aber auch aus Israel und Gaza, aus dem Sudan oder auch aus dem zweiten Äthiopienkrieg, sollen auch noch Deutschland kommen können und Asyl erhalten. Und damit auch nach Stuttgart.
Ein deutliches Zeichen dafür, dass alle Deserteur:innen auch hier willkommen sind, ist ein Denkmal an einer zentralen Stelle! Nämlich genau hier, an diesem Ort.
Leider sind wir noch nicht soweit. Obwohl im Gemeinderat unterschiedliche Fraktionen genauso wie auch wir schon seit 24 Jahren dafür kämpfen.
Schon in den 1990er Jahren wurde, angestoßen von Ohne Rüstung Leben (ORL) und der Deutschen Friedensgesellschaft-Vereinigte Kriegsdienstgegner*innen (DFG-VK), die Initiative Deserteur-Denkmal für Stuttgart mit zahlreichen Organisationen und Gruppen gebildet. Ohne den Einsatz dieser Menschen würden wir ziemlich sicher auch heute noch überhaupt nicht darüber reden.
Im Gemeinderat kam das Thema dann als erstes im Jahr 2000 auf.
Drei Einzelstadträte von CDU, SPD und den Grünen haben einen Antrag auf Unterstützung der „Initiative Deserteur-Denkmal für Stuttgart“ gestellt. Schon damals sollte das Denkmal für Deserteur:innen an den Platz neben das ehemaligen Hotel Silber kommen.
Abgelehnt wurde der Antrag damals von der Verwaltung mit folgender Begründung: Die Stadt hatte auf dem Karlsplatz ein Mahnmal für alle Opfer des Nationalsozialismus aufgestellt Sie wollte bewusst nicht für jede einzelne betroffene Gruppe verschiedene Denkmäler aufstellen.
Also auch nicht für über 40 in Stuttgart ermordete junge Deserteure. Und außerdem so die Verwaltung, würden Mahnmale für Deserteur:innen von Rechtsradikalen beschmutzt und zerstört. Daher will man sie lieber erst gar nicht aufstellen!
Ein städtisches Bündnis aus DGB, Friedensgruppen und Bürger:innen sorgte dann 2007 für das jetzige Deserteursdenkmal am Theaterhaus. Der damalige OB Wolfgang Schuster verweigerte dem Denkmal einen öffentlichen Standort. Finanziert wurde es dann ausschließlich von privaten Spenden! Also null Unterstützung der Stadt.
Wieder einige Jahre später, und zwar 2015, hat unsere Fraktion beantragt, dass das Deserteursdenkmal zum Hotel Silber in die Innenstadt kommt. Immerhin war die Verwaltung unter OB Kuhn dann nicht mehr grundsätzlich einem Deserteurs-Denkmal ablehnend gegenüber. Wirklich geholfen hat der grüne OB Kuhn dann aber auch nicht.
Denn ein endgültiger Beschluss wurde erst mal verschoben. Eine Entscheidung für den Standort Hotel Silber zu treffen, wäre ja zum jetzigen Zeitpunkt einfach noch viel zu verfrüht. Erst muss der Wettbewerb zur Gestaltung der Außenfassade wie auch der Freiflächen drum herum abgeschlossen sein. Das war laut Verwaltungsantwort auch dem Hinweis vom Haus der Geschichte geschuldet, die gemeinsam mit dem Hotel Silber die Ausgestaltung begleiteten.
Da wäre es schon problematisch, wenn man da jetzt schon Zusagen geben würde.
Dabei ist das natürlich schon irgendwie verquer. Eigentlich müsste man ja bevor man einen Wettbewerb zur Gestaltung macht, festlegen, dass das Deserteurs Denkmal mit eingeplant soll. Damit man entsprechend gestalten kann. Hinterher kann man dann immer sagen, ja das war ja nicht im Wettbewerb enthalten! Jetzt kann das auch nicht dahin!
Nur ein Jahr später dann, also 2016, hat die SPD nochmal nachgehakt.
Da wurde dann wieder betont, dass bei einem potentiellen Standort Hotel Silber deutlich werden müsste, dass die Wehrmacht für die Verfolgung von Fahnenflüchtigen zuständig war und nicht die Gestapo.
Und wieder wurde versprochen, dass mit Beteiligung der Partner des künftigen Geschichtsorts Hotel Silber, Land (Haus der Geschichte) und der Initiative Lern- und Gedenkort Hotel Silber e.V. – die Standorteignung vor dem Hotel Silber geprüft und örtliche Alternativen eruieren werden würden.
2017 gab es dann einen gemeinsamen Haushaltsantrag mit den Grünen, SPD, Frau Yüksel und uns.
Und wieder sollten wir den Gestaltungsentwurf abwarten. Auch über die Kosten könnte man noch keine genauen Aussagen machen, weil noch nicht über den genauen Standort entschieden wurde.
Und dann, man glaub es kaum, 2020 eine Vorlage von der Verwaltung! Mit dem Beschlußantrag: Das Deserteur-Denkmal wird im Zuge der Umgestaltung der Dorotheen- und Goerdelerstraße von seinem bisherigen Standort vor dem Theaterhaus in die Goerdelerstraße vor das Waisenhaus versetzt. Und zwar noch 2023!
Aber: Jetzt ist ihnen noch etwas Neues eingefallen. Es hat nämlich noch keine Abstimmung in Bezug auf den Platzbedarf bei Veranstaltungen im Umfeld des Karlsplatzes stattgefunden.
Das Denkmal kollidiert nun mit der temporären Sanitäranlage, die zum Beispiel beim Hamburger Fischmarkt im Bereich der Goerdelerstraße eingerichtet wird.
Dieser Aspekt muss natürlich auch noch beachtet werden. Zum Glück hat die Verwaltung aber angemerkt, dass die Umsetzung des Denkmals erst im Zuge der Umgestaltungsmaßnahme Dorotheenstraße erfolgt, damit also noch reichlich Zeit ist.
Dann war 2023. Und das Denkmal war noch nicht versetzt!
Also haben wir wieder einen Antrag gestellt. Dieser wurde erst gar nicht mehr beantwortet. Leider kann ich Euch demnach auch keinen aktuellen Stand mitteilen.
Aber es ist immer noch nicht da. Sonst würden wir das Deserteursdenkmal ja hier nun sehen!
Hier hat die Stadt und die Verwaltung total versagt. Eigentlich als ein Zeichen der sichtbaren, öffentlichen Würdigung der Deserteur:innen und auch als ein Zeichen der Anerkennung bürgerschaftlichen Engagements hätte die Stadt Stuttgart die Verlegung des Denkmals auf einen zentralen Platz in der Innenstadt grundsätzlich immer unterstützen sollen.
Jetzt macht sie das schon seit 24 Jahren nicht wirklich und findet immer neue Ausreden. Das ist kein Zeichen der Unterstützung. Das ist ein Zeichen der Missachtung.
Und das wo es in deren Städten längst ähnlich Denkmäler gibt. Seit 2008 gibt es im Französischen Viertel in Tübingen einen Platz des unbekannten Deserteurs. Das wurde höchstpersönlich von Oberbürgermeister Boris Palmer eingeweiht. Auch damals noch Hamburgs Erster Bürgermeister Olaf Scholz und jetzt Bundeskanzler ließ es sich nicht nehmen, 2015 bei der Einweihung des großen Deserteursdenkmals direkt am Dammtor-Bahnhof dabei zu sein.
Und in Stuttgart, und ich wiederhole, diskutiert der Gemeinderat bereits seit 24 Jahren.
Es ist an der Zeit, dass das Deserteursdenkmal jetzt hier herkommt. obwohl die Gelder bewilligt sind, der Platz feststeht, der Umzug in 2020 für 2023 beschlossen wurde, passiert trotzdem nichts. Heute, am „Internationalen Tag der Kriegsdienstverweigerer“ fordern wir von der Stadt Stuttgart, dass das Deserteurs-Denkmal für Stuttgart endlich im Jahr 2024 an den ihm gebührenden öffentlichen Platz umzieht!
Fotos: Ursula Ganter